Die alpinen Lebensräume in Bayern sind in besonderer Weise vom Klimawandel betroffen: Zum einen steigt hier seit Dekaden die Jahresmitteltemperatur viel schneller an als im globalen Durchschnitt, zum anderen beherbergen alpine Habitate eine einzigartige Diversität von Tier- und Pflanzenarten – darunter auch viele kälteliebende Organismen, die nur noch hier geeignete Lebensbedingungen finden.
Arten reagieren ganz unterschiedlich auf Temperaturveränderungen. Die Verschiebung natürlicher jahreszeitlicher Rhythmen (z.B. des Schlupfzeitpunkts von Insekten), oder das Abwandern von Arten in kühlere Habitate sind messbare Reaktionen auf den Klimawandel, die allerdings mit der Umstrukturierung ganzer Artengemeinschaften und der Entkopplung bisheriger Interaktionspartner einhergehen. In welchem Ausmaß bayerische Ökosysteme zukünftig vom Klimawandel betroffen sein werden, wird maßgeblich davon abhängen (a) wie gut zeitlich oder räumlich abwandernde Arten (und funktionelle Artmerkmale) von nachrückenden Arten ersetzt werden, (b) wie schnell und effizient sich klimafolgende Organismen und Artengemeinschaften an neue Klimaregime bzw. neue Lebensgemeinschaften anpassen und (c) wie gut es dem Menschen gelingen wird über gezielte Managementformen funktionelle Umstrukturierungen und unterschiedliche Anpassungsstrategien zu unterstützen.
Diesen spannenden Fragen widmet sich die Juniorforschergruppe ADAPT: Wir untersuchen, wie sich Bestäubergemeinschaften entlang von natürlichen Klimagradienten – den Berghängen im Nationalpark Berchtesgaden – und in unterschiedlichen gemanagten Grünländern in einem Zeitraum von 10 Jahren verändert haben. Bestäuber sichern die Reproduktion und genetische Diversität der meisten Wild- und Nutzpflanzenarten und sind daher wichtige Ökosystemdienstleister in terrestrischen Ökosystemen. Sind bestimmte Bestäuber bereits in Höhenlagen abgewandert oder gehen sie in ihrer Häufigkeit zurück? Können wir Bestäubermerkmale identifizieren, die besonders sensibel auf den Klimawandel reagieren und, wenn ja, inwiefern sind diese mit den für die Bestäubung relevanten Merkmalen (wie z.B. der Rüssellänge) assoziiert?
ADAPT wird außerdem mit ganz unterschiedlichen methodischen Ansätzen und auf verschiedenen biologischen Ebenen (d.h. von molekularer Ebene bis hin zu Artengemeinschaften) die Mechanismen und Grenzen der Anpassungsfähigkeit von Bestäubern im alpinen Raum beleuchten. Mit Versetzungen ganzer Hummelkolonien von kühleren Höhenlagen in wärmere Tieflagen werden wir untersuchen, wie sich Temperaturerhöhungen auf die Phänologie, Fitness und Bestäubungseffizienz der Hummelvölker auswirkt und wie das Almmanagement die Anpassungsfähigkeit von Bestäubern beeinflusst. Dazu nutzen wir „intelligente“ Hummelnistkästen, die das Gewicht der Kolonie, die Aktivität und phänologische Ereignisse weitgehend automatisiert aufnehmen. Auch die molekularen Mechanismen der Adaptation werden untersucht. Sind in Hummeln welche in Höhenlagen nisten andere Gene aktiviert als in Artgenossen der Tieflagen? Und wenn ja, welche Gene sind dann in den experimentell versetzten Hummelarbeiterinnen aktiviert?
Neuartige Artenverbreitungsmodelle sollen dann unter Berücksichtigung ökologischer und mikroevolutionärer Anpassungsprozesse die Folgen des Klimawandels in Bayern für Bestäuber und Bestäubung realistischer vorhersagen. Zudem sollen basierend auf unseren Erkenntnissen Handlungsstrategien für ein den Herausforderungen des Klimawandels angepasstes, bestäuberfreundliches Alm-Management in Bayern abgeleitet werden.