Wie entwickeln sich Ökosystemleistungen und Biodiversität in Bayern? Das interdisziplinäre Verbundprojekt BLIZ wirft einen Blick in die Zukunft und entwickelt neue Szenarien für ein nachhaltiges Management von Ökosystemen in Bayern.
BLIZ ist ein Verbundprojekt der Technischen Universität München, der Julius-Maximilians Universität Würzburg, der Universität Regensburg und der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg.
Wir untersuchen die Auswirkungen von Klimawandel auf ökologische Systeme (Ökosystemleistungen und Biodiversität) und sozio-ökonomische Systeme (Landnutzungsentwicklung) und deren Wechselwirkungen. Mit Hilfe von computergestützten Simulationsmodellen erforschen wir, welche Anpassungsstrategien zu einer Stabilisierung dieser Systeme führen, und unter welchen Umständen drastische ökologische Degradierung oder sozio-ökonomische Veränderungen (sogenannte Kipppunkte) auftreten können.
Ziel des Verbundes ist es, konkrete Handlungsanweisungen für ein nachhaltiges Management zu entwickeln und mögliche Unsicherheiten abzuschätzen. Dabei stellen sich folgende Forschungsfragen:
Der methodische Ansatz ist es, (1) basierend auf neu erhobenen und bestehenden empirischen Daten dynamische Modelle zu entwickeln und anzuwenden, (2) eine Schätzung der Unsicherheiten zu generieren und diese Unsicherheit ökonomisch zu bewerten, (3) geeignete Anpassungs- und Managementstrategien zu entwickeln und (4) diese Strategien für Interessensvertreter zu kommunizieren.
Der globale Wandel ist eine Bedrohung für die Biodiversität und damit für die Funktion von Ökosystemen und die Bereitstellung von Ökosystemleistungen in Bayern.
Um Ökosystemleistungen, wie z.B. land- und forstwirtschaftliche Produktivität, Klimaregulierung, Wasserqualität, Bestäubung und Kohlenstoffspeicherung in Boden und Biomasse und den Erhalt der Biodiversität sicherzustellen, gilt es, nachhaltige Strategien der Bewirtschaftung für Bayern zu entwickeln und zu operationalisieren. Dazu muss untersucht werden, wie der Klimawandel zu unterschiedlichen Landnutzungen führen wird und welche Konsequenzen dies für die biologische Vielfalt und die Ökosystemleistungen in Bayern hat.
Wir werden das Ökosystemmodell LPJ-GUESS anwenden, um die klimabedingte Änderungen der Wachstumsbedingungen zu berechnen. Diese Ergebnisse werden in Teilprojekt 4 genutzt, um die Änderungen der Landnutzung vorhersagen, woraus wiederum Vorhersagen zur Gefährdung von Biotopen und Arten abgeleitet werden. In unserem Teilprojekt werden die einzigartigen Daten Bayerns zum Vorkommen von Arten und Biotopen verwendet. In einem „Big data“-Ansatz werden diese mit den Landnutzungsszenarien verschnitten. Produktionsfunktionen werden erzeugt, die die Landnutzung und die Biodiversität in Beziehung zu Ökosystemleistungen setzt. Es werden „Impact Maps“ erzeugt, die Hotspots der Biodiversität identifizieren und die Gefährdung für ein „Umkippen“ von Ökosystemleistungen zeigen. Basierend auf unsere Ergebnisse wird ein Szenarienraum für ein angepasstes Management aufgespannt, der mit Praxispartnern diskutiert wird.
Der Klimawandel hat bereits dramatische Auswirkungen auf Arten und Arten-gemeinschaften. Mit Modellen wurden bisher jedoch oft nur anthropogene Einflüsse auf einzelne Arten oder auf hypothetische Artengemeinschaften untersucht. Daher bleibt unerforscht, wie der Klimawandel Artengemeinschaften in natürlichen Systemen – sowohl terrestrisch als auch aquatisch – beeinflusst. Die Vielfalt und Komplexität bayerischer Landschaften ist besonders gut geeignet, um zu erforschen, wie Biodiversität auf den Klima- und Landnutzungs-wandel reagiert.
Um die potenziellen Effekte dieser zusammenwirkenden Faktoren zu verstehen, untersucht das Teilprojekt, wie aquatische und terrestrische Artengemeinschaften in bayerischen Seen und Landschaften auf verschiedene Änderungen der Umweltfaktoren reagieren. Hierzu werden räumlich-explizite Nischen- und Agenten-basierte Modelle für interagierende Pflanzen- und Tier-Gemeinschaften entwickelt. Aus den simulierten Interaktionen zwischen allen relevanten ökologischen Prozessen ergeben sich die realisierten Verteilungen und Vorkommen von Pflanzen- und Tierarten innerhalb räumlich strukturierter Gemeinschaften. Aus den Modellergebnissen werden schutzrelevante Biodiversitäts-Hotspots bayernweit abgeleitet und in Kartenmaterial dargestellt.
Klima- und Landnutzungswandel führen zu erhöhten Einträgen in Seen. Dazu zählen Einträge von Schweb- und Huminstoffen bzw. Nährstoffen, die Algenblüten fördern. Diese Stoffe wirken direkt bzw. indirekt als optisch aktive Substanzen und beeinflussen das pflanzenverfügbare Licht in Gewässern. Dadurch verändern sich Wasserpflanzengemeinschaften, die wesentliche Funktionen im Ökosystem See erfüllen und diesen Lebensraum strukturieren. Auf diese Weise verursachte Änderungen in der Zusammensetzung der Wasserpflanzen wirken sich auf die gesamte Biodiversität in Gewässern aus.
Das Ziel von Teilprojekt 3 ist es,
1) die Folgen der erhöhten Einträge von optisch aktiven Stoffen in Seen auf die Zusammensetzung der Unterwasservegetation und somit die gesamte Biodiversität zu untersuchen.
2) die Schwellenwerte (Kippunkte) für Stoffeinträge zu ermitteln, die zu signifikanten Veränderungen in der Unterwasservegetation führen.
In Zusammenarbeit mit Teilprojekt 2 werden in Experimenten die Toleranzen und die Vorlieben ausgewählter Wasserpflanzen (Makrophyten) bestimmt und darauf aufbauende Makrophyten- und Biodiversitätsmodelle optimiert. Grundlage für diese Untersuchungen sind die in Teilprojekt 1 und 4 entwickelten Klima- und Landnutzungsszenarien. Auf diese Weise sollen, Daten zur Optimierung von Biodiversitätsmodellen gesammelt und die Prognosen der Modelle bestätigt werden.
Wir werden Entwicklungen der Landnutzung in Bayern einerseits rückblickend und andererseits in die Zukunft schauend analysieren. Die bisherigen Veränderungen der bayerischen Landschaft werden anhand von Fernerkundungsmethoden untersucht. Aufbauend auf Prognosen des klimasensitiven Ökosystemmodells LPJ-GUESS (Teilprojekt 1) werden Entscheidungen der Land- und Forstwirte über die zukünftige Landnutzung modelliert. Uns interessiert beispielsweise, wie Land- und Forstwirte ihre Ressourcen (z.B. Landflächen) verschiedenen Nutzungsoptionen zuordnen. Zur Abschätzung der Landverteilung auf Landnutzungsoptionen kommen moderne Landnutzungsmodelle auf der Ebene repräsentativer landwirtschaftlicher Modell-Höfe bzw. für repräsentative Modell-Forstbetriebe zum Einsatz.
Eingangsinformationen für diese Modelle sind beispielsweise die Produktivität und deren Schwankungen, Marktpreisentwicklungen, Ernteausfälle oder Kalamitäten im Wald. Analysen zu Zielkonflikten z.B. zwischen Produktivität und Biodiversität bzw. Multifunktionalität bilden einen inhaltlichen Schwerpunkt des Forschungsansatzes. Die schon existierenden Modellierungsansätze werden dazu zu einer Optimierung unter multiplen Zielsetzungen erweitert, um so Ökosystemleistungen bzw. Umweltprobleme (z.B. Erosion, bzw. übermäßiger Einsatz von Gülle) aktiv in den Optimierungsprozess zu integrieren. Die Ergebnisse schließen sowohl vornehmlich ökonomisch getriebene als auch multifunktionale Entwicklungen (unter Berücksichtigung von Ökosystem-leistungen) der zukünftigen Landnutzung in Bayern sowie die Bewertung alternativer Landnutzungsoptionen (Agroforstwirtschaft, Energieholzplantagen) ein.
Um Handlungsoptionen und Anpassungsstrategien zu bewerten, benötigen öffentliche und private Entscheidungsträger detaillierte Prognosen über die Folgen des Klimawandels und deren Unsicherheiten.
Der an der Universität Regensburg angesiedelte Projektteil BayRisk befasst sich mit der Quantifizierung von solchen Unsicherheiten. BayRisk wird Unsicherheitsschätzungen der in BLIZ benutzen Modelle durch Monte-Carlo Simulationen und Methoden der Bayes’schen Statistik erstellen, und daraus Vorhersageunsicherheiten berechnen. In Zusammenarbeit mit den sozial-ökonomischen Teilprojekten können so Wahrscheinlichkeitsverteilungen und Risiken für ökonomisch relevante Parameter berechnet werden. BayRisk bildet hierdurch ein Bindeglied zwischen den ökologischen Projektteilen (Teilprojekt 1-3), und den sozial-ökonomischen Projektteilen (Teilprojekt 4,6), die zu Landnutzungsentscheidungen und der Bewertung von Risiken und Handlungsoptionen forschen.
Die ländlichen Räume Bayern erfüllen vielfältige Funktionen: Sie sind Hauptproduktionsräume von Nahrungs- und Futtermitteln, Holz und Energie, sie besitzen wichtige ökologische Funktionen und leisten einen wesentlichen Beitrag zum Umwelt-, Natur- und Landschaftsschutz und sind darüber hinaus Lebens-, Wirtschafts- und Erholungsraum für einen Großteil der Bevölkerung. Umwelt-veränderungen, Energie- und klimapolitische Entwicklungen sowie der gesellschaftliche und demographische Wandel stellen für die ländlichen Räume Bayerns komplexe Herausforderungen dar.
Welche Veränderungen werden ländliche Räume zukünftig erfahren? Wie wird sich der Klimawandel auf die Multifunktionalität auswirken? Welche gesellschaftlichen Ansprüche werden zukünftig an die ländlichen Räume in Bayern gestellt? Diesen Fragen widmet sich Teilprojekt 6 mit Hilfe eines transdisziplinären Forschungsansatzes. Durch den Einbezug verschiedener Akteure aus Politik, Umwelt, Wirtschaft und Zivil-gesellschaft sollen die unterschiedlichen Perspektiven auf die Entwicklung ländlicher Räume identifiziert werden und es soll aufgezeigt werden, inwiefern Klimaveränderungen in den Praktiken der Akteure bereits eine Rolle spielen bzw. von ihnen antizipiert werden.