Die Umsetzung eines klimaneutralen Gebäudebestands ist ein technisches und gesamtgesellschaftliches Großprojekt. Es bedarf verstärkter Anstrengungen und Investitionen in die energetische Gebäudesanierung und die Nutzung erneuerbarer Energien. Mit Lösungen auf Quartiersebene ist dies einfacher, effizienter und mit niedrigeren Gesamtkosten zu bewältigen als bei einer Einzelgebäudeoptimierung. Im urbanen Kontext birgt die Solarenergie das größte Potenzial für die Nutzung erneuerbarer Quellen. Die vorhandenen Gebäudehüllen lassen sich als lokale Energiequelle aktivieren, insbesondere durch die Photovoltaik.
In Städten erweist sich die Nutzung dieses Potenzials als besonders schwierig. Die Ursachen liegen unter anderem in der Eigentümerstruktur und der verhältnismäßig geringen Anzahl großer unkompliziert nutzbarer Dachflächen. Im überwiegend mehrgeschossigen Gebäudebestand besteht die „urbane Haut“ zu einem hohen Anteil aus Fassadenflächen. Deren Nutzung zur Energiegewinnung erfordert eine hohe gestalterische Qualität und eine sorgfältige Integration in die gebaute Umwelt. Gleichzeitig konkurrieren verschiedene energietechnische Optionen – neben der Photovoltaik auch solarthermische Kollektoren, Bioreaktoren, dezentrale Lüftungstechnik, Speicherelemente, Wärme- und Sonnenschutzmaßnahmen oder thermische Bauteilaktivierung – sowie die klimaregulierende Bauwerksbegrünung um die begrenzten Flächen und Investitionsmittel.
Die Juniorforschergruppe untersucht, in welchem Ausmaß Gebäudehüllen im urbanen Raum im Spannungsfeld von Baukultur, energetischer Sanierung und Begrünung energetisch aktiviert und Synergien genutzt werden können. Ein ebenso wichtiger Aspekt ist die Integration in zukunftsfähige Quartiersenergiekonzepte und in das städtische Energiesystem. Mit Hilfe von großräumigen Simulationen und der Überlagerung von Erzeugungs- und Bedarfsprofilen sowie Energiemanagementstrategien auf Quartiersebene untersucht die Forschergruppe dabei, wie diese Quartiere das lokale und übergeordnete Energiesystem bei den Herausforderungen der Energiewende unterstützen können. Als Flexibilitätsmaßnahmen werden insbesondere der an Energieangebot und -nachfrage angepasste Betrieb elektrischer Wärmepumpen und das gesteuerte Laden von Elektrofahrzeugen berücksichtigt. Nicht zuletzt zielt die Forschung darauf ab, negative Auswirkungen einer großflächigen energetischen Aktivierung der Gebäudehüllen auf das urbane Mikroklima und den Außenraumkomfort zu quantifizieren und zu vermeiden. Somit verbindet der Forschergruppe die Bereiche Klimaschutz und Klimaanpassung. In Verbindung mit einer lebenszyklusbasierten ökologischen Bewertung lassen sich Empfehlungen für gezielte politische Anreizsysteme und den Abbau rechtlicher Hürden ableiten.
Ziel ist es schließlich, gemeinsam mit Kommunen Strategien und Handlungsoptionen für die Umsetzbarkeit der innovativen Lösungen aufzuzeigen, da die Stadtentwicklung vielseitigen Interessen und Bedürfnissen gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Akteure gerecht werden muss. Mehrere Fallbeispiele in bayerischen Städten dienen dabei der Erprobung, wie das Potenzial zur energetischen Aktivierung der Gebäudehüllen stadtklimaorientiert, finanzierbar, sozial- und netzverträglich gehoben werden kann, indem beispielsweise die Bürger in stadtplanerische Entscheidungen eingebunden und an den Investitionen und Gewinnen der Energiewende beteiligt werden.